Es scheint im Frühjahr eine lange Tradition und ein tief verwurzeltes Bedürfnis nach Reinigung zu geben: Der Monat Februar ist nach dem römischen Gott der Reinigung Februus benannt und es wurde das Reinigungsfest Februa gefeiert, um das neue Jahr frisch zu starten, das bis 153 v.Chr. mit dem 1. März begann. Es gibt eine jahrhundertealte Tradition des Frühjahrsputzes zum Entrußen der Häuser nach winterlichem Ofenheizen, die auch viele Menschen heute noch fortführen, auch wenn es längst kaum mehr rußige Wände gibt. Putzmittelkonzerne machen in der Zeit von Januar bis April den höchsten Umsatz des Jahres.

Auch wenn ich mir manchmal die Frage stelle, ob ein Herbstputz nicht fruchtbringender wäre, um die Wohnung in der Zeit besonders schön zu haben, wenn ich viel zu Hause bin und nicht dann, wenn es mich ohnehin nach draußen treibt, überkommt mich selbst auch jedes Frühjahr von neuem die Lust, alles klar und sauber zu machen, innerlich und äußerlich. Mal Reset zu drücken und wieder ganz frisch und neu anzufangen. Vielleicht geht es dir auch so?
Hier jedenfalls ein paar Inspirationen zum Frühjahrsputz ganz ohne Scheuermilch und Staubwedel.

Bild: Karen Maes

Wintergeister austreiben

Kennst du sie auch, die inneren Kritiker und Saboteure, die destruktiven Souffleusen, die sich dazu berufen sehen, alles madig zu machen, was du tust, denkst oder vorhast? Lerne sie doch einmal besser kennen und miste eines von den sich wiederholenden Gedankenmustern über dich aus, das dir nicht (mehr) entspricht. Typische Gedankengeister sind “Ich bin nicht gut genug”, “Wenn mir etwas leicht fällt, ist es nichts wert”, “Das klappt doch sowieso wieder nicht” oder “Ich kann nur entweder reich oder glücklich sein”, aber vielleicht hast du auch einen ganz anderen “Lieblings”-Plagegeist.
In vielen Regionen gibt es Fasnachtstraditionen, die Wintergeister austreiben. Schaffe dir dein eigenes Gedankengeister-Austreiberitual, z.B. so:

  1. Identifiziere einen sich wiederholenden Plagegeistgedanken, der dich schwächt.
  2. Schreib einmal die Beweiskette auf, die du dir immer wieder zurecht legst, um den Plagegeist-Gedanken zu unterfüttern. Sei ehrlich mit dir selbst, überprüfe Beweise und Gegenbeweise. Stimmt das wirklich, was  du da über dich erzählst? Was wäre anders, wenn du diesen Gedanken über dich nicht hättest?
  3. Wenn du zu dem Schluss kommst, dass es sich wirklich lohnt, den Gedanken abzulegen, plane dein Verscheuchungsmanöver. Besonders Spaß macht es gemeinsam mit Freunden. Es darf laut und wild sein, mit Feuer, schrägen Tönen und Grusel. Lass dich von den verschiedensten Fasnachtstraditionen inspirieren und suche dir etwas aus, das zu dir und deinem Gedankengeist passt.
  4. Setze deine Verscheuchung mit der ganz klaren Intention um “Ich brauche dich nicht mehr. Du darfst jetzt gehen!”
  5. Pflanze einen kraftvollen Frühlingsgedanken, der an die freie Stelle treten kann. Welchen höchstmöglichen Gedanken über dich selbst kannst du denken? Schreib ihn auf. In den folgenden Frühlingswochen (und natürlich auch noch danach) kannst du ihn nähren und stärken, indem du ihn dir immer wieder ins Bewusstsein rufst. Er wird dir dann liebevoll unterstützend zu Hilfe eilen, wenn der alte Gedankengeist noch einmal wieder auftauchen sollte.

Es lebe die Leichtigkeit!

Erinnere dich an deinen letzten Campingurlaub oder deine letzte Handgepäck-Flugreise bei Ryanair! Ist es nicht verblüffend, wie lange wir mit sehr wenigen Dingen auskommen können? Und was für einen innere Leichtigkeit einen überkommt, wenn man sich nicht so viele Gedanken über Gegenstände machen muss? Großes Vorbild in der Disziplin des Minimalismus ist für mich Joachim Klöckner, der nur etwa 50 Gegenstände besitzt, lässig mit einer Reisetasche umzieht und trotzdem nichts vermisst. In seinem Buch “der Kleine Minimalist” kannst du nachlesen, wie ihm das gelingt und in unserem nächsten Mutsalon zum Thema “Loslassen” am 25.5. kannst du ihn kennenlernen.
Und wohin mit all den Sachen? Mach den Menschen um dich herum eine Freude und verschenke diesen Frühling jeden Tag einen Gegenstand, den du nicht mehr oder nur noch selten brauchst.

Bilder umhängen – auch Reframing genannt

Der innere Frühjahrsputz ist auch eine hervorragende Zeit, einmal wieder zu schauen, ob die Bilderrahmen den Bildern deines Lebens und der Welt um dich herum noch gerecht werden und an der richtigen Stelle angebracht sind. Ausgehend von der Annahme, dass ein Bilderrahmen einen ganz bestimmten Ausschnitt oder Blickwinkel des Gesamtbildes hervorhebt, bezeichnet Reframing, also Um-Rahmen, die Kunst, Ereignisse oder Annahmen in ein neues Licht zu setzen und damit neue Erfahrungen, Gedanken und Möglichkeiten freizusetzen.
Welche Bilderrahmen in deinem Oberstübchen hast du bewusst aufgehängt und welche hängen da noch von deinen Eltern, von Lehrern, Politikern, Medien? Passen sie überhaupt zu deinen Werten? Z.B. macht es einen großen Unterschied, ob du in der Debatte um prekäre Lebenssituationen von Arbeitnehmer*innen von einkommensschwachen Menschen oder von entlohnungsschwachen Unternehmen sprichst. Die Sprachforscherin Elisabeth Wehling hat mit ihrem Buch “Politisches Framing” eine Fülle von spannenden Einsichten zur Macht des Framings als politisches Gestaltungsmittel beigetragen.
Spiel einmal mit deinen “Rahmenbedingungen” und schau, was sich ändert, wenn du deine Rahmen z.B. mal von der anderen Seite betrachtest.
Und wie geht das, wenn man darin keine Übung hat? Probier z.B. einmal aus, öfters das Wort “noch” in deine Sätze zu flechten. Dieses kleine Wort ändert sehr viel, z.B. verwandelt es ein “Das funktioniert nicht” in ein “Das funktioniert noch nicht” und öffnet plötzlich den Weg für weitere Möglichkeiten, etwas doch hinzubekommen. Auch hilfreich ist es, sich in einer Situation, in der einem der Bildausschnitt nicht passt, zu fragen: Was könnte hier die große Chance sein? Oder: Warum ist das, was hier gerade passiert, genau das Richtige?
Und als krönender Abschluss für deinen Frühjahrsputz? Staub dir was Leckeres zu Essen ab und verputze es mit Genuss!

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